Grundrosetten und Kaltkeimer

Zwei Pflanzen ineinander gewachsen.
Eine spannende Pflanzengemeinschaft hat sich da gefunden: Mazedonische Witwenblume (pink blühend) und Natternkopf (blau).

Nur mit Gummistiefeln, Stirnband und Kapuze ist derzeit eine Arbeit auf dem Blumenacker möglich. Der scharfe Wind bei Temperaturen um die null Grad stresst nicht nur die Pflanzen und Insekten, sondern auch die Gärtnerin. Schon ist der Boden durch die dauernden Graupelschauer wieder zu lehmig-feucht, um ihn öfter zu betreten. Und das Beikraut will solch ein Boden auch nicht hergeben, die Wurzeln sitzen wie einbetoniert in der Erde.

Zeit also, sich um andere Dinge zu kümmern, zum Beispiel Häckselgut zu sammeln, um die Wege zu markieren, oder letzte Aussaaten vorzunehmen. Auch viele neue Jungpflanzen wachsen zu dicht beieinander und können jetzt, bei Regenwetter, gut umgepflanzt werden. Hatte die erste Märzensonne doch einigen Pflanzen schon einen Sonnenbrand beschert.

Unkraut oder Beikraut?

Vielen GärtnerInnen stellt sich im Frühjahr immer wieder die gleiche Frage, wenn sie sich über ihre Beete beugen: Was ist hier eigentlich Blume und was kann weg? Natürlich hat einzig und allein der Mensch diese Unterscheidung in erwünschte und unerwünschte Arten vorgenommen, in Zierpflanzen hier und Unkraut da. Andere Blumenfreunde wie Insekten oder Feldhasen sehen das ganz anders, und auch uns war – als Jäger und Sammlerinnen – der Zierwert einer Pflanze ziemlich egal, solange man sie essen konnte.

Wie so oft in der menschlichen Geschichte sind Be-wertungen und Ab-wertungen natürlich auch hier von der jeweiligen Mode oder politischen Agenda bestimmt. Trotzdem wird auch in der Wildblümerey reguliert, denn sie ist Teil dieser Gesellschaft und muss verkaufen, um ihrerseits zu gedeihen. Einen Löwenzahn für drei Euro anzubieten, das klappt vielleicht im Jahr 2053, aber dann ist sowieso alles zu spät, weil die meisten anderen Pflanzen verschwunden sind.

Als kleine Hilfestellung für die Frühlingsfrage soll die Galerie an Jungpflanzen und Rosetten dienen, die Sie unter diesem Text finden. Sehr empfehlenswert ist außerdem die Webseite des Botanischen Vereins Bochum mit seiner Gesamt-Artenliste und der Pflanzenbestimmungshilfe. Mittlerweile gibt es auch einige brauchbare Apps, die sehr gut Pflanzen identifizieren können, z. B. Pl@ntNet oder Flora Incognita.

Was tun, wenn es zu spät zum Aussäen ist?

Während viele Sommerblumen und Stauden sich noch gut bis Mitte Juni aussäen lassen – sie laufen dann einfach später im Jahr auf –, ist das mit den Kühlkeimern nicht möglich. Sie brauchen in der Regel mehrere kalte Wochen und viel Feuchtigkeit, damit die Samen ihre Keimhemmung verlieren. So lohnt sich beim Samenkauf immer ein Blick auf diese Eigenschaft. Sie ist ebenso wichtig wie die Frage, ob eine Pflanzenart Licht- oder Dunkelkeimerin ist. Nicht selten sind HobbygärtnerInnen nämlich enttäuscht, wenn ihre Bemühungen nicht fruchten, dabei wurde ein feiner Same vielleicht nur mit zu viel Erde abgedeckt.

Auch mir fällt regelmäßig zu spät ein, dass ich die Aussaat neuer oder begehrter Pflanzen im Herbst völlig vergessen habe. Oder aber das Saatgut war schon ausverkauft. Dann greife ich zu einem kleinen, unlauteren Trick: der Stratifizierung. Das bedeutet in diesem Fall, dass Samen von Kühlkeimern in feuchtem Sand in den Kühlschrank gelegt werden, um ihnen den Winter vorzugaukeln. Verstärkt habe ich den Prozess dieses Jahr erstmals mit Gibberellinsäure, einem pflanzlichen Hormon, das ebenfalls die Keimruhe aufhebt und die Keimfähigkeit insgesamt fördert.

Dass die Temperaturen gerade noch einmal nach unten gegangen sind, lässt mich hoffen, dass es noch etwas wird mit meinen vergessenen Wunschpflanzen. Es handelt sich um Edelweiß, Enzian und Klappertopf. Letzterer ist mir besonders wichtig, weil er als Halbschmarotzer von Gräsern lebt und diese sich gerade lästig auf der Fläche ausdehnen. Ich bin schon sehr gespannt auf dieses Experiment und werde hier darüber berichten. Aber auch auf die Alpenpflanzen bin ich neugierig. Ich hoffe, es wird Ihnen auf dem vollsonnigen Acker nicht zu heiß und trocken.

 

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