Rückschnitt von Wildstauden
Mitte Juli, in der Stadt ist es deutlich ruhiger geworden, wie immer in den Sommerferien. Auf ein Hitzehoch Anfang des Monats mit 37 Grad folgt gerade eine kleine Erholungsphase mit Wolken, Regen und etwas kühleren Temperaturen. Die abendliche Schneckenkontrolle ergibt: Absolut im grünen Bereich, kein großflächiger Einsatz von Schneckenkorn nötig wie im letzten Jahr.
Die Sommerpause ist auch in der Gärtnerei zu spüren, aber nur, was den Besuch von Kund*innen betrifft. Die Arbeit selbst hat nicht nachgelassen, eher im Gegenteil: Regen nach Sonne bei hohen Temperaturen bedeutet eigentlich immer tropisches Wachstum. Die Pflanzen werden auf dem ehemaligen Acker so mächtig, dass sie im Juli oft auseinanderfallen und zurückgeschnitten werden müssen. Auch die nimmermüden Wildkräuter in den Beeten erreichen – gefühlt über Nacht – monströse Ausmaße: sei es Löwenzahn, Distel, Hahnenfuß, Knöterich, Hühnerhirse oder Melde.
Zeitgleich wachsen die neuen Jungpflanzen heran und müssen rechtzeitig getopft werden, ebenso aber auch die älteren Pflanzen, deren Töpfe in dieser starken Wachstumsphase schnell zu klein werden. Nicht zuletzt kontrolliert die Gärtnerin täglich allerlei Samenstände, um das Saatgut wichtiger Stauden rechtzeitig vor dem nächsten Schauer ins Trockene zu bringen.
Rückschnitt im Naturgarten
Das Thema Rückschnitt ist im Naturgarten eher umstritten. Manchen ist das zuviel Eingriff in die natürlichen Abläufe, zu denen eben auch umgekippte Pflanzen oder wildes Durcheinanderwachsen gehören. Normalerweise werden die Stauden für die Insekten stehengelassen, da diese ab Spätsommer ihre Nester in den Stängeln anlegen, um dort zu überwintern. Aussaat ist im Naturgarten sowieso erwünscht, ein Rückschnitt würde das nur verhindern. Und auch die Vögel freuen sich, wenn im Winter in den Samenständen noch etwas zu holen ist.
Aber es gibt auch gute Argumente für das Schneiden – wenn es rechtzeitig erfolgt. So begraben umgefallene Pflanzen nicht nur ihre Nachbarinnen unter sich, sondern riskieren auch ihre eigene Blüte, wenn sie im Matsch vermodern. Das schattig-feuchte Klima unter dem Pflanzenberg ist außerdem ein hervorragendes Schnecken-Versteck. In der Wildblümerey kommt natürlich hinzu, dass die Schaubeete attraktiv und die Wege frei bleiben müssen. Aber auch im Privatgarten ist dies ein nachvollziehbares Anliegen.
Ein sommerlicher Rückschnitt kann zudem helfen, wenn Pflanzen verkahlen oder von Mehltau befallen sind, am besten begleitet von einer Kräftigung wie Schachtelhalm- oder Knoblauchbrühe. Und schließlich gibt es noch Pflanzen, von denen wir gar nicht wollen, dass sie sich aussäen – sei es, weil sie sowieso schon dominant sind, sei es, weil im nächsten Frühjahr sonst Hunderte von Sämlingen zu erwarten wären.
Pflanzen remontieren lassen
Der ultimative Kompromiss für das allfällige schlechte Gewissen ist allerdings eine Sache, die man Remontieren nennt. Viel mehr Wildstauden als zunächst gedacht haben nämlich die Fähigkeit, wieder auszutreiben und sogar noch einmal zu blühen. Damit die Pflanze ihre Kraft nicht in die Samenbildung steckt, sollte der Rückschnitt gleich nach der Blüte erfolgen. Im Herbst können die Pflanzen dann wie gewohnt stehenbleiben und sich aussamen.
Welche Wildstauden eignen sich nun für einen Remontierschnitt? – Der Klassiker ist wahrscheinlich die Wiesen-Margerite, denn sie wird im Rasen gerne mal aus Versehen mitgemäht und wächst dann einfach nach, um ein zweites Mal zu blühen. Aber auch andere Wiesenpflanzen können remontieren: Wiesen-Salbei, Wiesen-Witwenblume, Wiesen-Pippau und Wiesen-Storchschnabel. Die zweite Blüte erscheint meist nach etwa sechs Wochen und ist etwas schwächer.
Erneuerungsfähig und robust ist auch die Centaurea-Familie. Die Berg-Flockenblume zum Beispiel neigt zum Auseinanderfallen und wird gerne von Mehltau heimgesucht. Bis zu dreimal im Jahr habe ich sie schon zurückgeschnitten, und sie trieb immer wieder von unten durch. Die Wiesen-Flockenblume und die Skabiosen-Flockenblume blühen ebenfalls nach Rückschnitt noch einmal im Spätsommer.
Typische Remontierstauden sind außerdem einige Glockenblumen, und das ist besonders erfreulich, da sie so viele Wildbienen anziehen, die auf sie spezialisiert sind. So blüht die Rundblättrige Glockenblume nach dem Schnitt bis in den November hinein, die verblühten Büsche (nicht bis zur letzten Blüte warten!) sollten dafür etwa eine Handbreit über dem Boden abgeschnitten werden. Remontierend sind auch Nesselblättrige und Acker-Glockenblume, bei Pfirsichblättriger und Knäuel-Glockenblume treiben von alleine immer wieder kleine Blütchen aus den Blattachseln nach.
Weitere Pflanzen, die nach dem Schnitt ein zweites Mal blühen können: Blut-Weiderich, Edeldistel, Ehrenpreis, Färberkamille, Frauenmantel, Grasnelke, Großblütiger Ziest, Große Sterndolde, Hornklee, Jakobsleiter, Kamille, Katzenminze, Königskerze, Lavendel, Schafgarbe, Schleierkraut, Staudenlein, Steppen-Salbei (= Hain-Salbei), Ysop, Wundklee.
