Raureif und Treibjagd

Lilafarbene Glockenblume mit offenen und geschlossenen Blüten, von Raureif überzogen.
Die Rundblättrige Glockenblume blühte noch den ganzen Dezember hindurch.

Gleich zweimal hat Väterchen Frost im Dezember schon in der Wildblümerey vorbeigeschaut, oder vielmehr: sein nächster Verwandter Raureif. Das Naturereignis ist selten und zauberhaft, denn dafür braucht es eine hohe Luftfeuchtigkeit und Temperaturen unter -8 Grad. Der Wasserdampf wird quasi schockgefroren und erzeugt weiße Kristalle, die sich in skurrilen Formen an Pflanzen und Gegenstände heften. Auch Eisblumen an den Fenstern sind möglich.

Viele tapfere Blümchen hat es mitten in der dritten Blüte erwischt. Zwar gab es im Dezember kaum Sonne, doch die Temperaturen und das Licht haben ausgereicht für zahlreiche bunte Farbkleckse von Witwenblume, Glockenblume, Ringelblume oder auch Kapuzinerkresse. Mit dem Raureif wurde die Szenerie über Nacht zum Schwarz-Weiß-Film. Und leider sind auch die Blätter der Zitronenverbene endgültig erfroren.

Pflanzen winterfest machen

In letzter Minute habe ich Häckselgut und Tannenreisig um Pflanzen gehäufelt, die nicht sicher winterhart sind oder die ich nicht verlieren will. Darunter Bartblume, Rosmarin, Rosen und besagte Zitronenverbene. Wenn zumindest der Fuß geschützt ist, haben sie gute Chancen, die kalte Jahreszeit zu überstehen, auch wenn wieder ein eisiger Südwestwind über das Feld ziehen sollte.

Außerdem sind wieder verschiedene kleine Schutzzäune aufgebaut, um diverse Leckerbissen (Rose, Felsenbirne, Weide) vor dem Feldhasen zu bewahren. Im Winter greift er auf Knospen und Rinde zurück, um über die Runden zu kommen. Letztes Jahr hat er meine kleine Kornelkirsche fast zur Hälfte durchgeknabbert, dieses Jahr wurde schon ein frisch gesetzter Apfelbaum der Solawi geschält.

Der Tiere gedenken

Wobei: Die Feldhasen dürften im Bestand kräftig reduziert sein. Anfang Dezember fand auf dem angrenzenden Acker – dem Kartoffelacker der Solawi – und am Knick unterhalb des Geländes eine Treibjagd statt. Rund 15 Männer und Frauen in orangefarbenen Warnwesten und einige Hunde trieben das sogenannte Niederwild aus der Deckung. Im Anhänger, der von einem Traktor gezogen wurde, hingen schon zahlreiche Enten, Hasen und Fasane an Haken.

Die Vorstellung, dass da »mein« Hase hängt, der letzten Sommer als Jungtier mit großen Augen noch scheu in den Blumen gesessen hatte, schnürte mir die Kehle zu. Und war das vielleicht »unser« Fasan, der immer so neugierig im Folientunnel herumspaziert ist? – Ich habe es noch nie verstanden, wie Menschen lachend auf Tiere schießen können. Doch während der Fasan eine von Jägern zum eigenen Spaß eingeschleppte Art ist, steht der heimische Feldhase bundesweit auf der Roten Liste. Dennoch gilt er als »jagdbar«.

Darauf haben mich auch gleich die Jäger hingewiesen, die ich fragte, warum denn bedrohte Tiere gejagt werden müssen und warum überhaupt Tiere gejagt werden müssen, wo es doch in der Feldflur immer weniger werden. Tja, die schlichte und ergreifende Antwort war: »Wir tun nur Dinge, die erlaubt sind. So ein Fleisch kriegen Sie sonst nirgends!« – Guten Appetit!

Einen kurzen Überblick über das kontroverse Thema Jagd gibt es bei Planet Wissen. Und BUND wie NABU fordern eine an die Klimakrise angepasste, nachhaltige Jagd.

Beete neu ordnen

Die meiste Arbeit fließt im Moment in das Arrangement der Beete. Einerseits brauchen die vielen neuen Arten Platz, die im Frühjahr hoffentlich in den Saatschalen keimen werden. Andererseits erfordert das Bändchengewebe, das ich auf den Wegen verlege, eine Rechteck-Struktur, damit ich es ausrollen kann. Es sieht nun ein bisschen konventioneller aus, langweiliger, mit Plastik, und das gefällt mir gar nicht. Aber es wird mich bei der Beikraut-Regulierung deutlich entlasten.

Zahlreiche Pflanzen trage ich in diesen Wochen quer durch die Botanik, um Exemplare derselben Art ins gleiche Beet zu setzen. Damit kann ich sie auch sicherer aussamen lassen und muss beim Jäten nicht mehr so darauf achten, ob sich vielleicht doch ein »fremder« Keimling eingeschlichen hat. Und: Die Pflanzendecke kann besser schließen und der Boden muss nicht so oft bewegt werden, was dem Bodenleben auf jeden Fall zugute kommt.

Zänkische Rotkehlchen

Die Tage auf dem Feld sind kürzer, kälter und feuchter geworden, und doch möchte ich die Stunden dort nicht missen, gerade in Corona-Zeiten. Was für ein Privileg: Eine Tasse Kaffee und ein Käsebrot unter freiem Himmel mit Blick aufs Feld (Stromtrasse, Straße und Fußballplatz ausgeblendet)! Wenn man sich warm gearbeitet hat, geht das auch gut im Dezember.

Dass der Feierabend naht (wie immer natürlich zu früh), kann ich daran ablesen, dass rund 100 bis 150 Krähen von Theesen aus über das Gelände fliegen. Sie sind dann auf dem Weg zu ihren Schlafplätzen am Obersee und haben sich immer viel zu sagen. Im Moment sind sie um etwa 16.15 Uhr unterwegs, im Sommer entsprechend später. Ein beneidenswert natürlicher Rhythmus – ohne Kunstlicht und ohne den Zwang, abends unbedingt noch ein halbes Buch lesen oder im Netz surfen zu müssen.

Ein regelmäßiger Gast in der Dämmerung ist außerdem das Rotkehlchen. Sehr viel scheuer als die Verwandten im Garten, hat es mich meist schon eine Stunde lang im Auge, bevor es sich endlich ans Futterhäuschen herantraut. Doch kaum macht es sich über die Haferflocken her, kommt wie aus dem Nichts ein zweites Kehlchen angeschossen und die zwei purzeln in wilder Jagd fast über den Zaun.

Immer wieder musste ich den Kopf schütteln über dieses (allzu menschliche) Verhalten, denn durch den Futter- und Revierneid hat natürlich keins von beiden Zeit in Ruhe zu fressen. Bis ich endlich auf die Idee kam, eine zweite Futterstelle einzurichten. Und siehe da: Das Abendbrot ist so zumindest etwas entspannter.

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