Mehr Arten auf der Fläche

Die Wildblümerey im April: Vorne ein Stück Folie, um die nächsten Beete vorzubereiten. Darauf Schalen für Saat- und Jungpflanzen, zum Teil mit Sonnenschutz. Dahinter die Frühblüher-Beete.

Seit dem letzten Bericht vom Blumen-Acker hat der April seinem Ruf alle Ehre gemacht: Schnee und Hagel, Sonnenschein, Regen und Sahara-Staub. Heute war es unangenehm schwül mit Temperaturen über 20 Grad, für nachts ist Starkregen angesagt.

Für die Wildblümerey bedeutet das im Moment vor allem, die Stecklinge und Aussaaten zu pflegen und nicht austrocknen zu lassen. Weißes Vlies dämpft dabei einerseits die Sonne, andererseits sorgt es dafür, dass der Regen nicht ungeschützt auf die Saatschalen prasselt und die Erde immer mehr verschlämmt. Zum Teil ist das im nassen Winter schon geschehen und ich habe nun doch etwas Sorge, dass einige Saaten gar nicht keimen werden.

Mehr Arten, mehr Vielfalt

Nach mehreren Wochen beharrlicher Arbeit – immer mal wieder ein bis zwei Stunden – ist nun auch der Blühstreifen von alten Stängeln und Unterholz befreit. Mit einem Dreizack habe ich daraufhin den Boden etwas angeritzt und einige Saatgut-Reste ausgebracht. Vielleicht wird der Streifen dadurch etwas vielfältiger als letzten Sommer, wo vor allem Möhre, Färberkamille und Gelbklee dominiert haben.

Auch innerhalb des Zauns möchte ich die Artenanzahl stetig erhöhen. Die Neu-Ansaaten kann ich noch nicht beurteilen, aber die Selbst-Aussaat 2021 hat ganz gut funktioniert. So gibt es jetzt mindestens fünfmal so viele Frühblüher wie letztes Jahr (Lungenkraut, zwei Schlüsselblumen-Arten, Blausternchen, Winterlinge, Schneeglöckchen, Anemone, Tulpen, Zierlauch). Ähnlich viele Jungpflanzen haben Pfirsichblättrige Glockenblume, Akelei und Jungfer im Grünen produziert.

Mehr Insekten trotz Plastik

Der Flugverkehr über den Beeten scheint diese positive Veränderung zu bestätigen, aber leider habe ich durch meine »Pflege« auch zu einem Arten-Rückgang beigetragen. Die Taubnessel etwa, eine wichtige frühe Pflanze, ist fast vollständig verschwunden, sie war letztes Frühjahr noch auf der ganzen Fläche präsent. Dabei ist sie sowohl als Nektarpflanze für Hummeln als auch für uns als Heilkraut hilfreich, denn sie hat Gerbstoffe, Flavonoide und ätherische Öle zu bieten.

Überraschend dagegen der Zuwachs an Spinnen und Käfern. Erst vor ein paar Tagen ist mir aufgefallen, dass es offenbar an dem schwarzen Bändchengewebe liegt, auf dem ich auch noch Zweige und Nadeln verteilt habe. Diese Wärme scheint den Krabbeltieren zu gefallen, und so kann ich dem Plastik auf der Fläche sogar etwas Positives abgewinnen. Auch als Sperre zum Unkrautacker nebenan habe ich zuerst gejätetes Beikraut zu einem Wall geschichtet und dann Gewebe darübergezogen. Neulich sah ich eine Hummel darunter verschwinden und bin nun gespannt, ob sie dort ein Volk gründet.

Wildblümerey auf Instagram

Erstaunt bin ich immer wieder darüber, dass Menschen über diese Webseite hier auf die Wildblümerey aufmerksam werden. Google scheint es zu merken, dass regelmäßig gehaltvolle Texte und viele Fotos erscheinen. Zum Glück, denn der Algorithmus wurde in den letzten Jahren immer mehr darauf ausgelegt, guten Content zu honorieren und weniger technische Tricksereien.

Dennoch möchte ich langsam bekannter werden, um die Ackergärtnerei irgendwann zu professionalisieren. Schweren Herzens habe ich mich deshalb für einen Account auf Instagram entschieden. Ich bin keine Freundin von Social Media, habe mit meinem Shop greetlings z. B. sehr schlechte Erfahrungen mit dem Schwester-Konzern Facebook gemacht. Aber wenn selbst @bundeskanzler und @ekd.de ihre Schäfchen duzen und Herzchen tauschen, kann sich die Wildblümerey dann entziehen?

Zwei Wochen sind seitdem vergangen und ich bin wider Erwarten positiv überrascht. Instagram ist voll von spannenden Projekten rund um das Thema Natur, Bio-Anbau und Wildbienen, und auch fotografisch gibt es dort Anregungen aus allen Genres, ob Landschaft, Makro oder Insekten. Es ist bei weitem nicht so kompliziert aufgebaut wie Facebook, und ich kann es vom PC aus »bespielen«. So komme ich gar nicht erst in die Verlegenheit, den ganzen Tag über mit neuen Herzchen konfrontiert zu werden. Es ist mir sowieso ein Rätsel, wie erwachsene Menschen mehrmals am Tag auf »Insta« posten können, obwohl sie nicht PolitikerInnen oder InfluencerInnen sind.

Natürlich ist es skurril, mit Leuten, die man nicht kennt, pseudo-vertraut zu plaudern und Unmengen von Emojis zu erhalten. Andererseits: Es geht wirklich mit Leidenschaft und Sachkenntnis um Wildpflanzen, Wildbienen-Bestimmung oder die richtige Kamera-Einstellung. Rührend und ermutigend zugleich, dass sich so viele Menschen über ihr Engagement für die Artenvielfalt vernetzen. Denn nicht alle können dieses Engagement mit ihrem persönlichen Umfeld teilen. Dieser weltweite Austausch war so vor 20 Jahren nicht möglich.

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