Ein unsteter Sommer geht zuende

Gelber Falter auf violetter Wiesenflockenblume.
Ein Zitronenfalter tauchte im August erstmals auf der Fläche auf.

Fast zwei Monate liegt der letzte Bericht aus der Wildblümerey nun zurück, und das hat Gründe. Einerseits sind kleine Auszeiten oder Krankheiten für Solo-Selbständige ein zweischneidiges Schwert, denn jegliche liegengebliebene Arbeit muss nachgeholt werden. Wenn das Wetter dann – andererseits – noch so unstet ist wie diesen Sommer, bleibt nicht mehr viel Spielraum für Kreativität. Es müssen dann einfach stur die Pflichten erfüllt werden, Tag für Tag.

Im Juli und August hieß das: In den Regenpausen mähen und nochmals mähen, um das grüne Gewucher von Drumherum im Zaum zu halten, aber auch, um die eigenen Wege noch erkennen zu können. Wenn es mal zwei Tage nicht geregnet hat: Saatgut absammeln und nochmals Saatgut absammeln. In den Tagen nach dem Regen: Beikraut regulieren, solange der Boden noch feucht und locker ist. Und immer wieder: Stauden zurückschneiden, die aufgrund der feuchtwarmen Witterung gewuchert und durch den starken Wind dann umgefallen sind.

Alpha-Pflanzen im Zaum halten

Wuchern und Wuchern ist allerdings zweierlei, denn es gibt auch Kandidaten, die ich künftig etwas besser im Auge behalten will. Ihr Ausbreitungsdrang ist so stark, dass andere Pflanzen das Nachsehen haben, weil sie beschattet oder verdrängt werden. Dazu zählen für mich die Färberkamille, die Schafgarbe, die Katzenminze, die Moschusmalve und die Wegwarte. Alles liebenswerte und hübsche Pflanzen, aber eben ein bisschen zu aufdringlich.

So habe ich vor einer Woche also angefangen, diese Pflanzen zum Teil wieder auszugraben und ihre Beete zu verkleinern. Außerdem habe ich die Samenstände abgeschnitten, damit sie sich nicht weiter so übermäßig vermehren. Auf dem hinteren Teil des Ackers, der noch recht wild ist, sollen die Wucherer nun ihren Platz erhalten, damit die Schaubeete vorn wieder etwas übersichtlicher werden.

Freie Aussaat? – Bedingt empfehlenswert

Tja, so schnell kann es gehen. Die freie Aussaat, eigentlich ein Prinzip der Wildblümerey, lässt sich nicht einfach so durchziehen, denn schon bald würde die gesamte Fläche von einigen wenigen Alpha-Pflanzen dominiert. Vor dem Zaun am Feldweg Gaudigstraße ist das gut zu beobachten. Da haben sich Färberkamille und Wilde Möhre quasi den 300 Quadratmeter großen Blühstreifen geteilt, und die anderen Pflanzen müssen sehen, wo sie bleiben.

Auch komme ich mittlerweile nicht mehr daran vorbei, einige Keimlinge auszupikieren. Bei den Witwenblumen zum Beispiel gibt es so viel Nachwuchs, dass ich unmöglich alle Jungpflanzen wachsen lassen kann, sie würden sich gegenseitig Platz und Nährstoffe rauben. Eine moralische und emotionale Herausforderung, denn es war ganz und gar nicht mein Plan, Pflanzen zu vernichten. Da die Natur aber ebenfalls großzügig aussät, wäre es vielleicht noch eine Lösung, die Tuffs zu verkaufen. Die Pflanzenkinder müssten die Sache dann unter sich ausmachen.

Einige neue Tiere

Angesichts dieser logistischen Probleme im Beete-Parcours ist die Tierwelt etwas ins Hintertreffen geraten. Eigentlich wollte ich nach einem Jahr Wildblümerey mit der Kamera auf die Pirsch gehen, aber ich habe einfach keine Zeit dafür gefunden. Immerhin: Ab und zu landet eine Heuschrecke auf meinem Bein, und eine kleine Kröte ist mir kürzlich auch begegnet. Das hat mich sehr gefreut, denn schon letztes Jahr fischte ich eine Kröte aus einer Gießkanne, diese Tierart scheint also Bestand zu haben.

Nach wie vor verfolge ich aus den Augenwinkeln die etwa zwölf Stieglitze, die hier wohnen. Sie sind ein quirliger Haufen, der immer ganz aufgeregt tut, wenn ich um die Ecke komme. Im Nu sind sie dann weggeflogen, machen sich aber sofort hinter meinem Rücken zu schaffen, wenn sie sehen, dass ich in die Arbeit vertieft bin. Drehe ich mich um oder will sie fotografieren – husch, sind sie wieder davongezwitschert.

Eine echte Überraschung waren im August zwei neue Schmetterlingsarten: der Zitronenfalter, der bisher nicht auf der Fläche erschienen war, und der C-Falter. Damit sind es nun neun Arten in der Wildblümerey, mit Tagpfauenauge, Kleinem Fuchs, Admiral, Distelfalter, Schwalbenschwanz, Weißling und Großem Ochsenauge. Bei der Solawi nebenan wurden schon wieder neue Raupen des Schwalbenschwanzes am Fenchel gesichtet, ich dagegen setze auf die Wilde Möhre im Blühstreifen, denn sie lieben Doldenblütler.

Die Nacktschnecke ist angekommen

Wer mir in diesem feuchten Sommer erstmals aufgefallen ist, sind die Nacktschnecken. Die Nachbarn hatten ja schon lange geklagt, doch ich konnte auf dem Gelände zunächst keine Schnecken ausmachen. Ab Juni hat sich das deutlich geändert, und nun ist es so, dass ich abends nicht mehr die Wege entlanggehen kann, ohne nach unten zu blicken, ansonsten riskiere ich Matsch und Schleim an den Schuhen.

Im Moment scheint Paarungszeit zu sein, denn überall schnackseln die Zwittertiere in den Beeten herum, was ich nicht gerade als angenehmen Anblick bezeichnen würde. Vielleicht ist es auch das Wissen um die Folgen: Rund 400 Eier legt jede Schnecke ab, in der Wildblümerey wahrscheinlich in Mäuselöcher, denn aus denen kriechen sie abends auch hervor.

Ich sehe diese starke Vermehrung mit gemischten Gefühlen, denn noch kann ich nichts Nachteiliges über die rotbraunen Weichtiere sagen. Ja, es sind auch einige Blätter von Wildstauden angefressen, aber hauptsächlich beobachte ich die Schnecken an verrottendem Material und an den Beikraut-Häufchen, die ich nach der Beetpflege überall liegen lasse. Auch Kapuzinerkresse scheinen sie zu mögen, vielleicht aus demselben Grund wie wir: um von den heilsamen Senfölen zu profitieren.

Ich vermute deshalb, dass Nacktschnecken dann zur Plage werden, wenn

  • sie keine natürlichen Feinde wie Igel, Kröten und Laufkäfer mehr haben
  • gezüchtete Nutzpflanzen und Blumen im Garten stehen, die keine natürlichen Abwehrstoffe gegen Fraßfeinde mehr haben, wie es bei Wildpflanzen der Fall ist
  • Gärten so »ordentlich« sind, dass Schnecken gar nichts anderes finden als eben nur »schöne« Pflanzen

Wie gesagt, ich sehe die Vermehrung mit ambivalenten Gefühlen und würde am liebsten eingreifen, aber ich will ja, dass sich ein natürliches Gleichgewicht einstellt. Da es (noch) keine IgeI hier gibt, setze ich also auf die vielen Laufkäfer und die Kröte(n).

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